Smart Mobility

MOBILITÄT IM WANDEL #10: Mehr als Generation Rücksitz!

© IMPACT RheinMain

Screenshot aus dem Vortrag von Gabi Jung © Gabi Jung

Screenshot aus dem Vortrag von Anna Gering und Hannah Eberhardt © Anna Gering und Hannah Eberhardt

In der zehnten Ausgabe der Veranstaltungsreihe “MOBILITÄT IM WANDEL“ von IMPACT RheinMain standen am vergangenen Donnerstag, 29. März 2021, die kleinsten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Mittelpunkt. Unter dem Titel “Mehr als Generation Rücksitz! Kinder und die Mobilitätswende“ diskutierten Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen und beantworteten Fragen der mehr als 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Kindergerechter Verkehr als Ziel

Nach der Begrüßung durch den Moderator des Abends, Prof. Dr.-Ing. Volker Blees, gab Anika Meenken als Sprecherin Radverkehr und Mobilitätsbildung des VCD Verkehrsclub Deutschland e. V., der als Kooperationspartner der Veranstaltung fungierte, einen Einblick in die Arbeit des Vereins. Wie wichtig die Zielsetzung "kindergerechter Verkehr statt verkehrsgerechtes Kind" heute mehr denn je ist, verdeutlichte sie mit einigen aktuellen Zahlen: Zwar seien fast 70 Prozent aller Schulwege von unter 10-jährigen Kindern kürzer als zwei Kilometer, dennoch werden diese ungefähr zur Hälfte mit dem “Elterntaxi“ zurückgelegt. Dabei seien Kinder, die selbstständig in die Schule kommen, deutlich konzentrierter im Unterricht. Um hier zu unterstützen, veranstalte der VCD etwa Fahrrad-Kampagnen für Jugendliche und arbeite mit Akteuren auf allen (politischen) Ebenen zusammen.

Kindliche Lernprozesse und Gefahren im Straßenverkehr

Dr. Walter Funk vom Institut für empirische Soziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg sprach in seinem Vortrag über die zeitliche Entwicklung der für die sichere Bewältigung des Straßenverkehrs notwendigen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen. Dabei spiele in erster Linie die Entwicklung der motorischen und kognitiven Fähigkeiten, die bei jedem Kind individuell verläuft, eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus seien aber auch Faktoren wie die Vorbildfunktion der Erwachsenen, soziale Bedingungen oder die Verkehrsinfrastruktur wichtig. Zwar ging die Anzahl der verunglückten Kinder seit den 70er-Jahren stark zurück, allerdings stagniere die Entwicklung seit ungefähr 2010. Vor allem morgens auf dem Weg zur Schule passierten demnach die meisten Unfälle. Schwierigkeiten haben Kinder vor allem dabei, Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen – hier würden selbst im Alter von 14 Jahren noch häufig Fehlentscheidungen getroffen. Allgemein sei die Teilnahme von Kindern als Fußgänger erst ab einem Alter von acht Jahren, als Radfahrer sogar erst ab 14 Jahren zu empfehlen.

Kinder in der Verkehrsplanung

Dass Kinder nicht nur passive Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sein müssen, sondern auch selbst Einfluss nehmen können und wollen, erläuterte Gabi Jung vom Verein JuMo – Junge Menschen und Mobilität. Sie plädierte dafür, Kinder bereits frühzeitig in die Planung und Gestaltung von Verkehrsräumen miteinzubeziehen. Dies illustrierte sie am Beispiel einer neu geschaffenen Begegnungszone in Berlin-Schöneberg, wo Schulkinder aus unterschiedlichen Altersgruppen durch Aktionen wie Befragungen und Planungswerkstätten partizipieren konnten. Dabei zeigte sich, dass Kinder ihre Umgebung anders wahrnehmen als Erwachsene und dadurch sowohl wichtige Impulse als auch ihre Bedürfnisse in den Prozess einbringen konnten. Für das Gelingen eines solchen Ansatzes sei es zentral, dass die Jugendlichen ernst genommen werden und mitentscheiden dürfen.

Eltern als Hemmnis der Verkehrswende?

Im letzten Vortrag des Abends referierten Anna Gering, Hochschule RheinMain, und Hannah Eberhardt, Verkehr mit Köpfchen, über die Rolle der Eltern in Bezug auf die Verkehrswende. So beleuchteten sie etwa die Veränderungen im Mobilitätsverhalten von Haushalten durch eine und nach einer Schwangerschaft. Hier zeigte sich, dass vor allem die Nutzung des Fahrrads deutlich zurückgeht, während die zu Fuß zurückgelegten Distanzen zunahmen. Die Gründe hierfür seien vor allem Motive wie die Angst vor einem Unfall, ein zu schlecht ausgebautes Radwegenetz oder die fehlende Möglichkeit, einen Fahrradanhänger sicher unterstellen zu können. Darüber hinaus ist der Alltag von Familien mit Kind komplex und vielschichtig, sodass hier das eigene Auto als praktikabler angesehen werde. Um Eltern aus ihrer Rolle als Hemmnis der Verkehrswende zu befreien, brauche es also ein attraktives Angebot umweltfreundlicher und sicherer Mobilität, bei dem etwa auch die Bedürfnisse von Schwangeren mitberücksichtigt werden.